Der Wiener Stephansdom beherbergt die größte Orgel Österreichs. Erbaut in den Nachkriegsjahren (die alte Orgel wurde in den letzten Kriegstagen beim Brand des Domes zerstört) wurde sie am 2. Oktober 1960 durch Kardinal Franz König eingeweiht. Doch nicht einmal 30 Jahre später – seit 1991 – schweigen die ca. 10.000 Pfeifen des imposanten Instruments.
Errichtet in den Jahren von 1956 bis 1960 vom Wiener Orgelbauer Johann Marcellinus Kauffmann, war die Monumentalorgel von Anfang an ein Sorgenkind. In den wirtschaftlich schweren Zeiten wurden für die Orgel minderwertiges Nachkriegsmaterial verwendet. Auch ist die Kauffmann-Orgel nicht für symphonische Orgelmusik geeignet, weil sie über eine dafür ungeeignete elektrischen Traktur verfügt. Und zu all diesen Nachteilen standen der Orgel, im wahrsten Sinne des Wortes, die baulichen Gegebenheiten im Weg. Aufgrund ungünstiger Platzverhältnisse auf der Westempore konnten ihre Register nicht ideal aufgestellt werden, was zur Folge hatte, dass der Orgelklang nicht in den Kirchenraum gelangte.
Aufgrund dieser unbefriedigenden Situation wurde 1991 eine neue Domorgel von der Orgelbaufirma Rieger errichtet und als ein Kurzschluss die alte Kauffmann-Orgel während einer Messe plötzlich verstummen ließ wurde sie nicht mehr gespielt.
Viele Jahre staubte das denkmalgeschützte Instrument vor sich hin, doch damit ist jetzt Schluss – die Orgel wird renoviert. Nun ist so eine Orgelrestaurierung keine einfache Sache und bereits 2014 wurde die Riesenorgel mit großem technischen Aufwand für eine Nacht in Betrieb genommen, um Akustikexperimente durchzuführen. Sechs internationale Orgelbauer haben sich mit Konzepten für den Bau einer wieder klang- und raumfüllenden Domorgel beworben. Die Wahl fiel auf das Riesenorgel-Konzept der Vorarlberger Orgelbaufirma Rieger, die auf eine lange Orgelbautradition zurückblicken kann. Als ich diesen Blogbeitrag geschrieben habe, wurde die Webseite gerade umgebaut, daher verlinke ich euch auch den Youtube-Kanal der Firma Rieger.
Optisch soll die restaurierte Orgel gleich bleiben aber das Innenleben der Orgel wird zum großen Teil auf den Kopf gestellt und akustisch günstiger positioniert.
Zukünftig wird St. Stephan mit einem ganz besonderen Klangerlebnis aufwarten können, denn auch die kleinere Domorgel im rechten Seitenschiff wird in das neue Klangkonzept mit eingebunden. Künftig sollen beide Orgeln von einem Spieltisch aus bedient werden können und der Kirchenraum aus unterschiedlichen Richtungen zum Klingen gebracht werden.
Der Abbau der Kauffmann-Orgel
Ich durfte einen Vormittag Mäuschen spielen und mit meiner Kamera die Abbauarbeiten der Orgel verfolgen. Es kommt nicht oft vor, dass man durch und in ein Instrument gehen kann und dementsprechend beeindruckt war ich von den Ausmaßen der Orgel. Von unten sieht man ja nur den vorderen Teil, doch dahinter gibt es noch Gänge und Räume, in denen die 10.000 Orgelpfeifen aufgestellt sind.
Lasst euch entführen in eine geheimnisvolle Welt die man so sicher nicht oft zu Gesicht bekommt.
Ein ganz herzlicher Dank gebührt hier meiner Freundin Cornelia Ruber – die selbst eine tolle Fotografin ist. Sie hat mir diesen Besuch auf die Westempore zur Orgel ermöglicht. Auch bei den Mitarbeitern der Firma Rieger möchte ich mich bedanken, dass wir ihre Arbeit mit der Kamera begleiten durften.
- Das romanische „Riesentor“ an der Westfront zwischen den Heidentürmen stammt noch aus der Zeit 1230-50.
- O5 wurden während der NS-Okkupation Österreichs als Zeichen des Widerstandes an mehreren Gebäuden vor allem in Wien und Innsbruck angebracht. Das abgebildete Zeichen findet man am Stephansdom rechts neben dem Riesentor. Ursprünglich war es in weißer Farbe aufgemalt; als es verblasste, wurde es durch die Eingravierung ersetzt.
- Jedes Teil wird über die Brüstung nach unten gehievt.
- Die den Prospekt tragenden Engel schuf der Osttiroler Bildhauer Josef Troyer.
- Blick in das Hauptschiff Richtung Hochaltar.
- Blick auf das linke Seitenschiff.
- Das große Glasfenster hinter der Orgel.
- Basspfeifen im hintersten Bereich der Westempore des Stephansdoms
- Das Innenleben der Orgel – ein Blick in den „Bauch“
- Stabil sind sie, die tragenden Eisentraversen
- Das ist quasi das Dach der Orgel. Da die ganze Konstruktion etwas wackelig wirkte, habe ich schweren Herzens auf ein Foto von oben verzichtet.
- Pfeifen wohin das Auge blickt. Wer hier den Durchblick behält – Hut ab.
- Auch in verborgenen Kammern finden sich jede Menge Orgelpfeifen.
- Auch ein Staubsauger gehört zur Ausrüstung eines Orgelbauers.
- Der Blick hinunter auf einen Teil der altehrwürdige Westempore aus dem 13. Jh.
- 6 Schilling für die Kirchenzeitung, lang lang ist’s her.
- Fresken aus dem 13. Jhd. – Botschafter aus einer Zeit der Gottesfurcht und Spiritualität.
- Über diese Wendeltreppe gelangt man in die Valentinskapelle
- Die Wendeltreppe zur Valentinskapelle. Sie bildet den einzigen Zugang zur Reliquienkammer.
- Ein Blick aus der alten Wendeltreppe
- Dieser Reliquienschrein wird gerade zurück an seinen Platz in die Valentinskapelle, die verborgene Reliquienkammer im Steffel gebracht.
- Auf den romanischen Kapitellen tronen die merkwürdigsten Fabelwesen.
- Jede der 10.000 Pfeifen wird sorgsam verpackt.
- Passgenau werden die Styroporklötzchen für jede Kiste angepasst.
- Schwindelfrei muss man sein als Orgelbauer. Da geht es sicher über 15 Meter hinunter.
- Schlussendlich bleiben bei einem Umzug am Ende nur mehr viele Kisten übrig, das ist auch bei einer Orgel nicht anders.
- In Kisten verpackt wartet die Orgel auf ihre Übersiedelung nach Schwarzach, wo sie komplett restauriert wird.
- Als wir den Dom verließen wurde gerade der der Schlussstein verlegt. Damit ist auch die langwierige Sanierung des Platzes fertiggestellt.
- Dies ist die letzte der 36.400 Granit- und Steinplatten, die dem Stephansplatz ein neues Erscheinungsbild verleihen.
Rettet die Riesenorgel
Natürlich ist die Instandsetzung der Riesenorgel kein billiges Unterfangen und die 2,6 Millionen Euro Renovierungskosten werden teilweise von den österreichischen Bundesländer und dem Kulturministerium getragen. Doch mehr als ein Drittel der Summe muss der Dom selbst finanzieren. Aus diesem Grunde wurde die Spendenkampagne „Rettet die Riesenorgel!“ ins Leben gerufen.
Auf der Seite riesenorgel.at kann jeder durch eine Spende mithelfen, die aufwendige Renovierung dieses einzigartigen Instruments zu ermöglichen. Als besonderen Dank erhält jeder Spender nach Hochladen seines Porträtfotos ein persönliches Ikonenbild. Sogar eine der 2.000 ausgedienten Orgelpfeifen kann man gegen eine etwas größere Spende erhalten.
Läuft alles nach Plan, dann werden die erste Töne aus der renovierten Riesenorgel erstmals Mitte 2019 zu hören sein, den dann beginnen die mehrmonatigen Arbeiten zur Intonation (die klangliche Gestaltung der Orgelpfeifen) des Instruments beginnen. Läuft alles nach Plan findet am Ostersonntag, 12. April 2020, exakt am 75. Jahrestag des Dombrands von 1945, die Orgelweihe statt. Damit schließt sich die letzte Wunde, die der verheerende Dombrand in den letzten Kriegstagen dem Steffl zugefügt hat.
Mehr Infos zur Pfarre St. Stephan und den Stephansdom
3 Kommentare
Zitat: „Auch ist die Kauffmann-Orgel nicht für symphonische Orgelmusik geeignet, weil sie über eine dafür ungeeignete elektrischen [sic!] Traktur verfügt.“
Auch die neukonzipierte Orgel wird über eine elektrische respektive digitale Traktur verfügen.
Es wäre verfehlt, von der Trakturart auf den Klang einer Orgel zu schließen.
Es ist begrüssenswert, dass diese sehr grosse Orgel renoviert wird. Das ist wahrlich kein Luxus, das Instrument hörte ich selber in seinem letzten Konzert etwa 1991. Die Orgel füllte den grossen Raum leider nicht richtig und ich war enttäuscht, wenn man mit der Orgel von Notre-Dame in Paris einen Vergleich wagt. Aber die Orgel in Wien ist stilistisch anders ausgerichtet als jene in Paris. Leider sind auf den Photos sehr viele dünne, eng mensurierte Pfeifen zu sehen. Da werden wohl viele neue, kräftige und breit mensurierte Register neu gebaut werden müssen, um ein klanglich befriedigendes Resultat zu erreichen. Die Firma Rieger bietet Garantie für ein einwandfreies Gelingen des Projekts, das hat sie schon öfters bei grossen Orgeln bewiesen. Man kann sich also auf Ostern 2020 freuen ….
bin begeistert