Zockerparadies Österreich? So klein das Land ist, unterschätzen sollte niemand Österreichs Bedeutung, wenn es um Videospiele, eSports und mehr geht. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung unterhält sich einmal pro Woche oder öfter bei Computerspielen aller Art, vom Handy-Quiz bis zum Online-Strategiespiel, mit hunderten von Mitspielern aus aller Welt. Dabei hat sich wie auch im Nachbarland Deutschland längst das allzeit verfügbare Smartphone als bevorzugte Plattform durchgesetzt. 34 Prozent der österreichischen Zocker greifen in erster Linie zu dem kleinen Alleskönner, der dank schneller Bildauffrischungsraten und hoher Auflösung mittlerweile an Bildqualität mit den großen Bildschirmen mithalten kann.

Auch beruflich steht die Gamingbranche hoch im Kurs. Obwohl Österreich mit den Entwicklerriesen aus Japan und den USA zumindest noch nicht konkurrieren kann, wird hier an immer mehr Spielen gebastelt, für die heimische Talente gebraucht werden. Darunter sind große Projekte wie „Die Siedler“ von Mi’pu’mi Games in Wien, „Sea of Thieves“ von Purple Lamp in Wien, „World of Tanks: Fromtline“ von Bongfish in Graz oder „Bus Simulator 18“ von stillalive Studios in Innsbruck. Weil gerade die Videogamebranche international stark vernetzt ist, stehen österreichischen Entwicklern vielfach weltweit alle Türen offen. Außer den großen Spielen, die meist diverse Jahre in der Arbeit sind, ehe sie auf einer der internationalen Gamingmessen der Öffentlichkeit und dem Fachpublikum präsentiert werden, sind auch weniger prestigeträchtige, aber immer populärer werdende Spiele wie Online-Poker ein interessantes Gebiet für Österreichs Talente.

Dabei beschränkt sich der Einsatz nicht nur auf Dinge hinter den Kulissen. Gerade, was Videogames und eSports anbelangt, steigt die Zahl der Profis und der Amateure, die auf dem besten Weg in die Spitzenligen sind.

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Vor allem Wien ist dabei eine Hochburg, wenn es um Poker online sowie am echten Kartentisch geht. Deutschlands erster Pokerweltmeister Pius Heinz, der 2011 beim Main Event der World Series of Poker mit einem Gewinn von mehr als 8,7 Millionen Dollar auf einen Schlag reich und berühmt wurde, hatte seine ersten Spielversuche erst vier Jahre zuvor auf dem Computer gemacht. Der damals 22-Jährige, der in Wien in einer Studenten-WG lebte, blieb sowohl der Stadt wie auch dem Spiel danach weiterhin treu.

Auch andere Pokerspieler zog und zieht es mit Vorliebe in die österreichische Hauptstadt, und zwar in Wohngemeinschaften, die es ihnen erlauben, mit anderen Pokerspielern zu üben und dabei die für das Gewinnen mitentscheidenden psychologischen Fähigkeiten zu verfeinern. Das geht allerdings auch online, wenn die Zocker sich wie einst Pius Heinz über längeren Zeitraum jeglichen Spielzug aufschreiben und diese hinterher analysieren.

Die österreichische Pokerszene hat inzwischen diverse millionenschwere Profis hervorgebracht. An erster Stelle steht dabei der 28 Jahre alte Grazer Matthias Eibinger. Genau wie Heinz begann auch er seine Karriere sofort nach seiner Volljährigkeit online. Sein erstes Preisgeld gewann er 2016, als er 1129 Dollar einstrich. Im Jahr darauf waren es bereits 126.962 Dollar, und 2018, als er erstmals in seiner Karriere drei Turniere gewann, waren es sage und schreibe insgesamt mehr als 4,77 Millionen Dollar. Mittlerweile hat es Eibinger selbst ohne ein einziges Bracelet bei der Word Series of Poker auf Gesamteinnahmen von mehr als 10,3 Millionen Dollar gebracht.

Ebenfalls in Wien lebt Thomas Mühlöcker. Der 34 Jahre alte Profizocker hat im Laufe seiner ausschließlich online ausgetragenen Karriere Preisgelder von mehr als 7,4 Millionen Dollar eingestrichen. Dank der verschiedenen Zeitzonen bedeutet das Zocken zu allen Tages- und Nachtzeiten, aber als einstiger Mitbewohner einer aus Online-Pokerspielern zusammengesetzten WG mit Kilian Kramer und Martin Finger dürfte das nie ein Problem gewesen sein.

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An Nummer eins der populärsten Videospielgenres in Österreich stehen Strategiespiele, die entsprechend gern auch in Ligen ausgetragen werden. Etliche der weltweiten Superhits haben es inzwischen zur internationalen Aberkennung als eSports gebracht, und bei Weltmeisterschaften geht es immer häufiger um Millionenbeträge.

In Österreich waren lange Zeit eSportler aktiv, die in den frühen Jahren der Strategiespiele eingestiegen waren. Dazu gehören die „Counter Strike 1.6“-Spieler Michael „Papst“ Schmidt und Franz „Gore“ Burghardt, die vor mehr als einem Jahrzehnt im Team Mousesports Teil eines der besten Teams der Welt in dem Ego-Shooter waren. Heute ist vor allem die vierte Erweiterung des Games, „Counter Strike: Global Offensive“ eines der weltweit populärsten und lukrativsten eSport-Games. Doch in Gores und Papst aktiven Tagen waren Preisgelder von insgesamt 83.000 Dollar für Gore und 18.000 Dollar für Papst allemal beeindruckend.

Die größten Hoffnungsträger im eSports-Bereich sind für Österreich die virtuellen Fußballer, die in der eBundesliga im Einzel oder Team antreten. Das höchste Ziel ist für die meisten virtuellen Kicker der FIFA e-World Cup, bei dem im Finale die 32 weltbesten Spieler auf Konsolen gegeneinander antreten. Zu den Toptalenten zählt Marcel Holy vom FK Austria Wien, der 2020 im Finale gegen Philipp Gutmann den Titel in der eBundesliga holte.

Wie groß das Interesse an allen Seiten der Gamingbranche ist, zeigt die Stärke der Interessenverbände, vom Österreichischen Verband für Unterhaltungssoftware bis zu den „Pioneers of Game Developers Austria“ und dem eSport Verband Österreich, die sich breitflächig dafür einsetzen, dass Videospiel sowohl für die Zocker wie auch für die dahinter steckenden Industrien dafür sorgen kann, dass Österreichs Einfluss und damit die Wirtschaft weiter wachsen.  

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